Hallo Jungs,
wir sind gerade in den französischen Pyrenäen und ich habe einen Tag "frei" bekommen. An Berge besteigen ist nicht zu denken, da noch reichlich Schnee im Gipfelbereich liegt und so entschließe ich mich, den Profis der Tour de France nach zu eifern und den Col du Tourmalet mit dem Rad zu befahren.
Die erste große Hürde ist die Ausleihe an sich. Man kann zwar so gut wie in jedem Laden Ski ausleihen, aber einen Fahrradverleih kennt hier keiner. In der Touristeninformation in Luz schickt man uns nach Bareges und dort wieder zurück nach Luz, immerhin noch mit dem Hinweis dass es im 20km entfernten Argeles einen "richtigen" Fahrradladen gibt. Und dort haben wir dann auch Glück, es werden Räder aller Klassen verliehen und ich entscheide mich für ein stattliches Rennrad. Helme, Schuhe und Radsportbekleidung kann man leider nicht ausleihen, so dass mein Outfit etwas abenteuerlich ist. Als Helm muss der Kletterhelm herhalten (habe ich vorsorglich für Jens Wandertour im Juni dabei), ansonsten ziehe ich mein Laufzeug an, die Snickers Riegel für unterwegs werden am Getränkehalter befestigt.
Die ersten 20km bis nach Luz gehen dann auch recht locker, es geht nur leicht bergan. Ab dort wird jeder Kilometer bis zum Gipfel einzeln gezählt, freundlicherweise hat die Gemeinde Schilder aufgestellt, die darüber aufklären, wie weit es noch ist, welche Höhe man schon erreicht hat und wie steil der nächste Kilometer ist. Auf den ersten 6km Anstieg bis Bareges läuft es dann auch ganz gut, danach wird es aber richtig hart. Ich passiere die Baumgrenze und fortan weht ein kräftiger Wind vom Pass herunter, der die Steigungen z.T. unerträglich macht. Der Unterschied zwischen den Abschnitte mit Rücken- bzw. Gegenwind ist doch beträchtlich. Ich mache immer öfter Pausen bis ich zwei Kilometer vor dem Gipfel von Wadenkrämpfen geplagt werde und eine längere Pause mache. Ich habe keine Lust mehr weiterzumachen, zumal es auch noch anfängt zu regnen. Doch ein freundlicher Engländer muntert mich auf - man könne doch nicht zwei Kilometer vor dem Gipfel umdrehen und nach zwei weiteren Snickers und einer halben Flasche Cola geht es wieder halbwegs. Gemeinerweise ist der letzte Kilometer mit 10% Steigung auch noch der Steilste, dazu der elende Gegenwind und der Regen wird immer stärker... Trotzdem empfinde ich ein großes Glück, als ich nach dreieinhalb Stunden die Passhöhe erreiche. Das wäre einer der Momente, wo ich bereit wäre, jeden Preis für ein Bier zu bezahlen, aber das Gipfelrestaurant hat geschlossen. So mache ich nur schnell drei Beweisfotos und begebe mich zügig auf die Abfahrt.
Die hat's auch nochmal in sich. Zunächst mal ist die Abfahrtshaltung auf einem Rennrad sehr gewöhnungsbedürftig. Am Anfang habe ich das Gefühl vorn übers Rad zu fallen. Dazu ist es kalt, die Straße nass, zum Teil voll Sand und meine Hände werden mehrfach taub. Ich mache auch in der Abfahrt alle 4-5 km Pause und bin so 1,5 Stunden nach Aufbruch vom Gipfel wieder in Argeles, wo mich Connie schon mit Theo erwartet. Die ganzen Strapazen sind plötzlich vergessen und ich bin sehr stolz, es geschafft zu haben. Alles in allem fahre ich 75km und bewältige dabei 1650m Höhenunterschied.
Micha,
Franz. Pyrenäen, 19. Mai 2011
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